Was kommt nach der Invasion in Gaza?

9. Januar 2009
Von George Giacaman
Von George Giamacan

Es ist klar, dass die israelische Invasion in den Gaza-Streifen mit einem neuen Waffenstillstand enden wird. Israel wird dabei versuchen, möglichst viele bereits gestellte Bedingungen durchzusetzen. Dazu gehört die strikte Kontrolle der Grenze mit Ägypten um den Waffenschmuggel zu unterbinden, sowie Garantien für eine dauerhafte Lösung.

Den Stopp des Raketenbeschuss, das erklärte Ziel der Invasion, als Bedingung durchzusetzen wird leicht zu erreichen sein, denn Hamas hatte dem bereits in dem am 19.12.2008 ausgelaufenen Waffenstillstand zugestimmt. Dieses Abkommen wurde am 4. November 2008 gebrochen, als die israelische Armee sechs palästinensische Kämpfer innerhalb des Gaza-Streifens tötete. Israelische Beobachter haben diesen Zeitpunkt mit der auslaufenden Amtszeit der Bush Regierung in Zusammenhang gestellt. So hat die amerikanische Regierung verschiedene Versuche des Sicherheitsrats blockiert, um der israelischen Armee mehr Zeit zu geben, ihre Ziele zu erreichen. Weiterhin wird angenommen, dass die Obama-Regierung in einem solchen Konflikt weniger auf israelische Positionen eingeht.

Gründe der Invasion und die Rolle der USA

Die Raketen waren nicht der Hauptgrund für die Invasion, sondern der Wunsch der israelischen Regierung, Hamas in Gaza militärisch und politisch zu schwächen, angesichts neuer potentieller Initiativen der Obama-Regierung, die auch andere Kräfte in Region mit einbeziehen könnte.

Es bleibt abzuwarten, wie die Politik der neuen US-Regierung aussehen wird. Zweifellos wird sie sich zunächst mit der Wirtschaftskrise befassen. Aber die USA wird auch eine Außenpolitik haben müssen, die den Nahen Osten mit einschließt. Sobald ein Waffenstillstand in Kraft tritt, wird Gaza erst einmal an Aktualität verlieren. Deswegen wird sich die Obama-Regierung nicht sofort mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt befassen müssen und seine Aufmerksamkeit auf die „iranische Bedrohung“ richten, die in Israel als Hauptgefahr gesehen wird.

Zur Situation in der Westbank und in Gaza

In dem gegenwärtigen Drama wird die Situation in der Westbank leicht vergessen. Hamas hatte auch gefordert, dass eine Verlängerung des Waffenstillstands über den 19. Dezember 2008 hinaus die Westbank mit einschließt. Israel hat dies zurückgewiesen und dringt fast täglich in Städte der Westbank ein, um Aktivisten zu verhaften oder zu töten. Sogar in Teilen Ramallahs erscheinen regelmäßig israelische Jeeps.

Zweifellos kann das Leiden in Gaza nicht mit der Westbank verglichen werden. Die israelische Armee schätzt die Zahl der bewaffneten Kämpfer in Gaza auf 15.000. Viele halten diese Zahl für übertrieben. Doch selbst wenn sie zutrifft, hieße das, 99%  der Bevölkerung zählen nicht zu den Kämpfern. 85% der Versorgungsgüter in Gaza kam bisher durch Israel, wie Lebensmittel, Medikamente, Gas und Benzin. Durch die Blockade kam es zu chronischer Unterversorgung. Das erklärt, warum Hamas die Öffnung der Kontrollstellen zu einer Bedingung für den Waffenstillstand macht. Der Erhalt der zum Überleben notwendigen Güter, ist eine bescheidene Forderung derer, die in Gaza eingeschlossen sind.

Die Palästinensische Autonomiebehörde

Der Krieg in Gaza untergräbt auch die Glaubwürdigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und der mit den USA verbündeten arabischen Staaten. Die Palästinensche Autonomiebehörde war nicht in der Lage, die israelische Besatzung zu beenden und den Siedlungsausbau zu verhindern. Der Annapolis-Prozess hat keine Ergebnisse gebracht. Die Palästinensche Autonomiebehörde hofft nun darauf, nach den israelischen Wahlen weiter mit einer neuen Regierung zu verhandeln. Dies wird jedoch vom Wahlausgang abhängen. Netanyahu hat bereits erklärt, nur ökonomische Verhandlungen führen zu wollen, nicht aber politische.

Weil Israel mit Hilfe der USA äußeren Druck bisher erfolgreich abwenden konnte, ist der Konflikt eine Angelegenheit der israelischen Innenpolitik geworden, in der lokale und kurzfristige Interessen dominieren. Israelis verhandeln somit unter sich. Der „Friedensprozess“ wird sich ohne Druck von außen oder palästinensischen Widerstand aus dieser Sackgasse befreien können. Dies ist auch einer der Hintergründe des Krieges in Gaza. Der israelische Wahlkampf wird gegenwärtig in den Strassen Gazas ausgefochten.

Ausblick

Arabische und europäische Regierungen warten auf ein Ende der katastrophalen Bush-Ära und den Beginn der Obama-Regierung. Die USA und die europäischen Länder sind ihrer Verantwortung für eine Beendigung des Konflikts nicht nachgekommen, obwohl sie ein klares Interesse an Frieden mit der arabischen Welt und den Muslimen haben sollten. Zu einem solchen Frieden wird es nicht kommen, solange der Konflikt in Palästina weiter schwelt und periodisch aufflammt. In dieser Periode zahlen die Menschen in Gaza zahlen einen ungeheuerlichen Preis. Darf man zu hoffen wagen, dass dies die letzte sein wird?


George Giacaman leitet das Palestinian Institute for the Study of Democracy (Muwatin) in der Westbank, einer Partnerorganisation der Heinrich-Böll-Stiftung.

Dossier

Krise in Gaza

Am 27. Dezember 2008 begann mit Luftangriffen auf den Gaza-Streifen Israels Offensive „Gegossenes Blei”. Zwar herrscht seit dem 18. Januar 2009 eine Waffenruhe, aber eine wirkliche Lösung ist nicht in Sicht. Hintergründe und Stimmen zu dem Konflikt finden Sie in unserem Dossier.